Venture Capital-Marktplätze als effiziente(ste) Form der Kapitalsuche für junge Technologieunternehmen

Dr. Jochen Haller, Vorstand, exchangeBA AGDie Sicherung der Unternehmensfinanzierung stellt – insbesondere für junge Technologieunternehmen – eine große Herausforderung dar. Die klassische Fremdfinanzierung durch Bankdarlehen scheitert meist an nicht vorhandenen Sicherheiten. Sind diese vorhanden – z.B. in Form von Lizenzen oder Patenten – so reichen sie in aller Regel nicht aus und müssen durch persönliche Bürgschaften ergänzt werden. Somit stellt die Fremdfinanzierung für junge Technologieunternehmen keine Option dar.

Eine Lösung dieses Problems besteht in der Stärkung der Eigenkapitalbasis durch Risikokapitalgeber. In dem Zusammenhang sind insbesondere Privatinvestoren bzw. Business Angels, Venture Capital- und Private-Equity-Gesellschaften sowie Family Offices zu nennen. Diese stellen dem Unternehmen Risikokapital (Venture Capital) zur Verfügung und erhalten im Gegenzug hierfür einen Anteil am Unternehmen. Voraussetzungen für eine Beteiligung von Risikokapitalgebern an einem Unternehmen sind u.a. ein attraktives Geschäftsmodell sowie ein überzeugendes Management-Team.

Die Suche und Ansprache von Risikokapitalgebern gestaltet sich in der Praxis jedoch äußerst aufwendig: So müssen Risikokapitalgeber identifiziert werden, in deren Investmentfokus das Unternehmen fällt. Hier spielt nicht nur der Branchenfokus, sondern auch die Entwicklungsphase des Unternehmens, die Höhe des Kapitalbedarfs sowie der regionale Fokus eine Rolle. Desweiteren stehen kapitalsuchende Unternehmen vor der Herausforderung, dass nicht alle Risikokapitalgeber direkt ansprechbar sind. Während institutionelle Investoren ein Interesse an Publizität haben, ist bei Privatinvestoren regelmäßig das Gegenteil der Fall. Insgesamt ist der Markt für Venture Capital sehr fragmentiert und intransparent. Verbände wie der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) und Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND) bieten hier eine erste Anlaufstelle. Aber auch diese bilden nur einen Bruchteil des Marktes ab.

Wurden potentielle Kapitalgeber identifiziert und angesprochen, so sind die Kontakte hiernach entsprechend nachzuhalten. Auch dies macht den Prozess der Kapitalsuche zeit- und somit kostenintensiv. Hinzu kommt, dass kapitalsuchende Unternehmen i.d.R. nicht über das notwendige Know-how für eine professionelle Investorenansprache verfügen. Dies zeigt sich regelmäßig an Businessplänen, die an eine „willkürliche“ Liste potentieller Investoren verschickt werden. Insgesamt stellt somit die Kapitalsuche „auf eigene Faust“ für das Unternehmen einen immensen Kraftakt dar, dessen Ressourcen meist besser im Unternehmensaufbau investiert wären.

Anstelle der Kapitalsuche auf eigene Faust kann man sich auch der Hilfe eines spezialisierten Corporate Finance- bzw. M&A-Beraters bedienen. Dieser verfügt i.d.R. über das notwendige Know-how sowie die entsprechende Erfahrung und nimmt den Unternehmen somit viel Arbeit und Zeit ab. Dies hat jedoch seinen Preis: Das Fixum bewegt sich (auch bei geringem Kapitalbedarf) meist im fünfstelligen Bereich. Hinzu kommt noch die erfolgsabhängige Vergütung. Damit ist diese Dienstleistung für junge Unternehmen häufig nicht finanzierbar. Wenn doch, dann bleibt immer noch ein entscheidender Nachteil: Berater kennen meist nur wenige Privatinvestoren. Daneben gibt es wenige Berater, die über Know-how und Kontakte in technologieaffine Branchen verfügen. Ohne ein entsprechendes Netzwerk bleibt diese Finanzierungsquelle den Unternehmen somit verwehrt.

Eine moderne Form der Kapitalbeschaffung, die die o.g. Defizite umgeht, stellen Venture Capital-Marktplätze dar. Hierbei handelt es sich um Transaktionsplattformen, auf denen kapitalsuchende Unternehmen und Investoren zusammen finden. Dieses „Matching“ findet anhand von vorab definierten und objektiven Kriterien (wie Branche, Höhe des Kapitalbedarfs etc.) statt. Durch die Aggregation von Angebot und Nachfrage werden die Effizienz und somit letztlich auch die Transaktionswahrscheinlichkeit deutlich erhöht. Dies ist v.a. in engen bzw. spezialisierten technologischen Branchen ein entscheidender Vorteil bei der Suche nach Investoren. Zudem schaffen sie Markttransparenz und etablieren langfristig hierdurch auch entsprechende Standards. Eine höhere Markttransparenz eröffnet den Marktteilnehmen zudem zusätzliche Syndizierungsmöglichkeiten.

Von ihrer Konzeption her grenzen sich Venture Capital-Marktplätze klar von anderen Konzepten ab. Auf der einen Seite grenzen sie sich von sog. „Online-Pinnwänden“ ab, auf denen Unternehmen/Berater ihr Kapitalgesuch und Investoren/Berater ihr Kaufgesuch einstellen können. Zusätzliche Dienstleistungen und/oder Betreuung werden hier in der Regel nicht geboten. Auf der anderen Seite grenzen sie sich von Corporate Finance- bzw. M&A-Beratern ab, die ihre Mandaten intensiv und individuell begleiten und beraten. Der hohen Betreuungsintensität stehen allerdings entsprechende Kosten gegenüber. Venture Capital-Marktplätze hingegen bieten das Beste aus beiden „Welten“: Einen strukturierten und begleiten Prozess, verbunden mit einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis.

Das Angebot an Venture Capital-Marktplätzen ist sehr unübersichtlich. Es gibt bislang nur wenige etablierte Anbieter auf dem Markt. Diese zeichnen sich durch mehrere Qualitätsmerkmale aus: Ein wichtiges Merkmal ist die Anzahl und die Qualität der gelisteten Investoren. Diese Anbieter verfügen über einen großen und breiten Investorenkreis. Dies gewährleistet eine hohe Marktliquidität, sodass bei diesen Venture Capital-Marktplätzen Unternehmen aus allen Branchen, Unternehmensphasen, Regionen und mit unterschiedlichstem Kapitalbedarf potentielle Investoren finden können. Wie bereits erwähnt ist die „Breite“ des Investorenkreises v.a. für Technologieunternehmen aus sehr speziellen Branchen ein wichtiges Auswahlkriterium bei der Wahl des „richtigen“ Venture Capital-Marktplatzes. Auch gewährleisten sie die Qualität der Investoren dadurch, dass sie diese nicht automatisch auf den Marktplatz zugelassen, sondern vorab „screenen“. Investoren wiederum bieten solche Venture Capital-Marktplätze die Möglichkeit, ein entsprechendes Investmentprofil zu hinterlegen.
Daneben zeichnen sich etablierte Anbieter durch einen strukturierten und begleiteten Prozess aus. Die Unternehmen erarbeiten ein Kurzprofil, wobei sie von den Mitarbeitern des Venture Capital-Marktplatzes unterstützt werden. Danach wird den Investoren das Kurzprofil „passgenau“ vorgestellt und das Unternehmen auf dem Marktplatz gelistet. Diese können die kapitalsuchenden Unternehmen dann direkt kontaktieren. Stets stehen qualifizierte und erfahrene Mitarbeiter als direkte Ansprechpartner für kapitalsuchende Unternehmen und Investoren zur Verfügung. Diese halten die Investorenkontakte der kapitalsuchenden Unternehmen nach und geben entsprechendes Feedback, z.B. wenn ein Investoren ein Initialinteresse am Unternehmen hatte, dieses aber nicht kontaktiert hat. Auch verfügen die Mitarbeiter über die entsprechende Marktübersicht, um beispielsweise den kapitalsuchenden Unternehmen Einblick in die wichtigsten in Standards in der Beteiligungsbranche zu geben. Durch die stärkere Markttransparenz ergeben auch zusätzliche Syndizierungsmöglichkeiten.

Durch Venture Capital-Marktplätze erhalten kapitalsuchende Unternehmen zudem die Möglichkeit sich auf Investorenveranstaltungen oder in der Fachpresse zu präsentieren. Auch versenden diese regelmäßig wichtige News zu den gelisteten Unternehmen, um weitere Aufmerksamkeit zu erzeugen und somit neue Kontakte herzustellen. Daneben organisieren Venture Capital-Marktplätze oft auch selbst exklusive Präsenzveranstaltungen auf denen sich kapitalsuchende Unternehmen den Fragen interessierter Investoren stellen. Darüber hinaus fördern diese das Zustandekommen zusätzlicher Investorenkontakte durch Zusammenarbeit mit entsprechenden Kooperationspartnern und durch Direktansprache im eigenen Netzwerk.

Venture Capital-Marktplätze bieten den Marktteilnehmern viele Vorteile: So erhalten Investoren persönliche und passgenaue Investmentvorschläge, entsprechend ihrem Profil. Standardisierte und gescreente Unternehmensprofile geben Investoren zudem die Möglichkeit, sich schnell Überblick über das Unternehmen zu verschaffen. Auch ergeben sich erweiterte Syndizierungsmöglichkeiten – u.a. durch Präsenzveranstaltungen. Zudem werden die Investoren kompetent und persönlich betreut.

Aus Sicht der Unternehmen spricht u.a. die hohe Effizienz der Investorenansprache („Faktor Zeit“) für Venture Capital-Marktplätze. Durch die Größe und Breite des Investorenkreises ergeben sich zudem hohe Erfolgsaussichten für das Unternehmen. Dieser Punkt ist v.a. für Unternehmen aus technologischen Nischen wichtig. Daneben bietet diese ein attraktives Preis-Leistungsverhältnis. Auch profitieren die Unternehmen von einer kompetenten und persönlichen Betreuung mit qualifiziertem Feedback.

Zudem sind Venture Capital-Marktplätze auch für Multiplikatoren interessant. Corporate Finance-und M&A-Berater können durch deren Nutzung z.B. ihr Investorennetzwerk um einen weiteren „Verkaufskanal“ erweitern. Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften erhalten neben einer zusätzlichen Dealflow-Quelle auch zusätzliche Syndizierungsmöglichkeiten, u.a. für Folgefinanzierungen. Zudem können Business Angel-Netzwerke und/oder öffentliche Investoren Co-Investoren für Ihre Investments finden.

Die obigen Ausführungen zeigen, dass Venture Capital-Marktplätze zurzeit den effizientesten Weg der Kapitalbeschaffung für Unternehmen darstellen. Kein anderes Vorgehen erlaubt es, in so kurzer Zeit eine derart große Zahl von passenden Investoren zielgerichtet anzusprechen. Hier verbinden sich die Vorteile individueller Betreuung mit der Effizienz eines Marktplatzes. Daneben schaffen Venture Capital-Marktplätze Transparenz und unterstützen bei der Etablierung von Marktstandards. Bezüglich der Auswahl des „richtigen“ Marktplatzes spielt für Unternehmen aus speziellen technologischen Nischen v.a. die Größe und Breite des Investorenkreises eine wichtige Rolle, da so dies die Transaktionschancen positiv beeinflusst. Das Interesse, das entsprechende Plattformen in den USA (Secondmarket, Sharepost und Xpert financial) im Zusammenhang mit Facebook jüngst ausgelöst haben zeigt, dass die Zeit für alternative Wege der Kapitalbeschaffung vor der Börse gekommen ist.

von ECIN.de-Fachautor Dr. Jochen Haller, Vorstand, exchangeBA AG

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