Wie Unternehmen im Internet profitabel agieren

Sind Sie auf der Suche nach der ultimativen Erfolgsformel für Ihr Online-Engagement? Dann werfen Sie doch einmal einen Blick auf Unternehmen, die nach der Berg- und Talfahrt der letzten Jahre noch immer zu den Gewinnern der Branche zu rechnen sind. Eine Strategieanalyse.

Die aktuelle Marktlage im eCommerce
Auch drei Jahre nach Beginn des Dotcom-Crashs hat sich die Internet-Ökonomie noch immer nicht von ihrer Krise erholt. Die einstige Euphorie für eCommerce-Aktivitäten aller Art ist seit dem Frühjahr 2000 von einer beispiellosen Ernüchterung abgelöst worden. Und verfolgt man die jüngsten Meldungen der Szene, so kann von einer baldigen Erholung keine Rede sein. Mit der ersten großen Konsolidierungswelle hat sich ein Paradigmenwechsel im elektronischen Geschäftsverkehr vollzogen: Ein Geschäftskonzept gilt heute erst dann als erfolgreich, wenn monetäre Kennzahlen wie Gewinn und Cash-flow positiv ausfallen, Wachstum allein reicht nicht. Vor dem Hintergrund dieses z.T. offenbar hoffnungslosen Unterfangens haben eine Vielzahl von Unternehmen ihre eCommerce-Aktivitäten stark zurückgefahren oder ganz eingestellt, zuletzt beispielsweise Bertelsmann, u.a. mit dem Verkauf des Online-Buchhändlers BOL, oder die Deutsche Post mit Evita. Trotz aller Unkenrufe und Zweifel wächst auf der anderen Seite die Internet-Ökonomie weiter. Dabei steigen nicht nur die Nutzerzahlen kontinuierlich, sondern – und das in erheblichem Maße – auch die Online-Handelsumsätze. Ist es also ungeachtet des düsteren Gesamteindrucks doch möglich, Gewinne im Internet zu erzielen? Und falls ja, mit welchen Maßnahmen konnten Unternehmen in die Gewinnzone geführt werden?

Zum Gegenstand der Untersuchung
Ziel der zugrunde liegenden Studie „Die eCommerce-Gewinner“ ist es, Erfolgsrezepte für eCommerce-Aktivitäten zu identifizieren, die sich in der Praxis nachweislich als determinierend für Profitabilität herausgestellt haben. Dazu werden in einem ersten Schritt profitable eCommerce-Unternehmen ausfindig gemacht sowie deren Geschäftsmodelle charakterisiert. Im Anschluss daran werden auf Basis einer fallstudienbasierten Analyse von Unternehmen aus zehn unterschiedlichen Geschäftsfeldern Strategien auf dem Weg zur Profitabilität diskutiert (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Vorgehensweise bei der Analyse „Die eCommerce-Gewinner“

Als erfolgreich kann ein eCommerce-Unternehmen dann bezeichnet werden, wenn es unabhängig vom Marktumfeld nachhaltiges Wachstum bei gleichzeitiger Profitabilität vorweist. Multi-Channel-Anbieter wie der Versandhändler Otto oder der Reiseveranstalter TUI werden in der Analyse außen vor gelassen, da diese Unternehmen gegenüber den Dotcoms einen großen Wettbewerbsvorteil hatten, indem sie bereits vor dem Going-Online auf funktionierende Absatz- und Geschäftsstrukturen zurückgreifen konnten. Stattdessen wird der Fokus auf Unternehmen gelegt, für die das Internet alleiniger Absatzkanal ist und die sämtliche dazu notwendigen Strukturen erst errichten mussten. Auch gilt die Konzentration dem Endkundengeschäft, das aufgrund geringer Umsätze pro Käufer vielfach als „mission critical“ bezeichnet wurde.
Bereits die Ergebnisse der ersten Stufe belegen, dass das elektronische Geschäft mit dem Endverbraucher profitabel betrieben werden kann. Die erfolgreichen, von uns eCommerce-Gewinner genannten Unternehmen verzeichnen nach wie vor hohe Wachstumsraten, die Umsatzrenditen liegen zum Teil deutlich im zweistelligen Prozentbereich. Etwas überraschend agieren die Unternehmen zudem in fast allen wichtigen Marktsegmenten: Beginnend bei eCommerce-Pionierbranchen wie Bücher, Reise, Erotik über Gebrauchtwagenhandel oder Auktionen bis hin zu jüngsten Hoffnungsträgern wie Mobile Applications, Gaming oder Informationsangeboten. Neben Global Playern (eBay, Expedia) zählen erfreulicherweise auch kleinere Spezialisten (forium, GuensTiger.de) zu der Gruppe der eCommerce-Gewinner.

Geschäftsformen der eCommerce-Gewinner
Als erstes Resultat einer tiefergehenden Analyse konnten vier Arten von Geschäftskonzepten identifiziert werden. Eine erste Gruppe bietet virtuelle Marktplätze an, auf denen die Nutzer Geschäfte untereinander auf eigene Rechnung abwickeln können. Unternehmen wie eBay, abebooks (gebrauchte Bücher) oder mobile.de (Fahrzeuge) erzielen für das Zusammenführen von Angebot und Nachfrage Einnahmen über Einstell- bzw. Nutzungsgebühren sowie Provisionen. Eine zweite Gruppe von Unternehmen agiert als Makler. Bei Unternehmen wie dem Online-Reisebüro Expedia sowie dem Finanz- und Versicherungsanbieter forium werden Angebot und Nachfrage zwar auch zusammengeführt, allerdings wird das Geschäft gegen eine Umsatzprovision über den Vermittler direkt abgeschlossen. Die dritte Gruppe besteht aus Anbietern von Suchdiensten: Der Preisvergleichsdienst GuensTiger.de und der Metasuchmaschinenbetreiber metaspinner bieten die Aufbereitung und Recherche von allgemeinen Informationen für den privaten Endkunden provisions- und gebührenfrei im Web an. In der vierten Gruppe befinden sich spezielle Themen-Portale wie Tiscali Games für Multi-Player-Spiele und sms.at für mobile Kommunikation. Sie dienen ihren Nutzern nicht nur als wertvolle Informationsquellen, sondern bieten auch die Möglichkeit, sich gegen die Zahlung von Gebühren untereinander auszutauschen.

Die weitere fallstudienbasierte Analyse führte zur Ableitung branchenübergreifender Erfolgsstrategien, von denen wesentliche Punkte kurz vorgestellt werden:

Ausrichtung des Geschäftsmodells auf maximale Digitalisierung der Wertschöpfung bzw. Vermittlerdienste:
Die Geschäftstätigkeit der profitablen Unternehmen ist von Beginn an strikt kostenbewusst und erlösorientiert ausgerichtet worden. Dies wird möglich, weil sie nahezu ihre gesamte Wertschöpfung digitalisiert haben, d.h. über die internen Prozesse hinaus Umsätze mit Leistungen erzielen, die zu 100% aus Informationen (Bild, Text oder Ton) bestehen und deshalb mit marginalen variablen Kosten vertrieben werden können. Ist eine vollständige Digitalisierung nicht möglich, beschränken sie sich auf die Rolle des Informationsmittlers (Infomediär) und erwirtschaften einen Großteil ihrer Einnahmen aus dieser Vermittlungsleistung. Indem Informations- und Vermittlerdienste so miteinander kombiniert werden, das Kaufprozesse für Anbieter und Nachfrager effizienter ablaufen, schaffen die Unternehmen mit ihrem Geschäftsmodell den eigentlichen Zusatznutzen, der in dieser Form in der realen Welt nicht existiert und für den daher Zahlungsbereitschaften bestehen. Beispielsweise senken virtuelle Marktplätze durch die Bündelung von regional zersplitterten Märkten sowie die Vernetzung von Angebot und Nachfrage die Transaktionskosten ihrer Kunden.

Erlösstruktur breit ausrichten und Konzentration auf transaktionsabhängige Einnahmen:
Die eCommerce-Gewinner haben es verstanden, von Beginn an ihr Kerngeschäft – also die Informations- und/oder Vermittlungsleistung – in Erlöse umzusetzen. Bei eBay und mobile.de etwa machen Umsatzprovisionen und Einstellgebühren nahezu 90% der gesamten Erlösstruktur aus. Werbeeinnahmen spielen dagegen meist eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist aber auch eine breite Erlösstruktur: Die Unternehmen finanzieren sich aus mindestens zwei, i.d.R. sogar mehr Einnahmequellen. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigen eigene, parallel ablaufende Untersuchungen: Mehr als zwei Drittel aller eCommerce-Anbieter finanzierten sich aus nur einer Erlösquelle. Die Folge: Sie sind abhängiger gegenüber Umsatzschwankungen, wie der einbrechende Werbemarkt bewiesen hat. Die direkte Kopplung der zentralen Erlösquellen an Transaktionen sorgte bei den profitablen Unternehmen dafür, dass eine exponentielle Zunahme an Traffic in einer Art Hebeleffekt zu entsprechenden Umsatzzuwächsen führt. In Verbindung mit gegen Null gehenden variablen Kosten verwundert es nicht, dass einige von ihnen schon wenige Monate nach dem Going-Online profitabel wurden.

Effiziente Vermarktung zahlt sich aus:
Während ihre Wettbewerber versuchten, mit Hilfe teurer Werbekampagnen in traditionellen Medien Markenbekanntheit aufzubauen, zielten die erfolgreichen Unternehmen auf die reine Nutzer- bzw. Käufergewinnung ab. Online-Maßnahmen stehen dabei im Mittelpunkt, einerseits weil sich deren Erfolg problemlos überprüfen lässt, andererseits weil Gegengeschäfte (z.B. in Form von Bannertausch) den Unternehmen erlauben zu wachsen, ohne auch nur einen Euro Marketingbudget zu verbrennen. Mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit setzen die Unternehmen nicht nur in der Startphase auf eine weitere Vermarktungsmöglichkeit, die in kostenlosen redaktionellen Berichten in reichweitenstarken Medien mündete. Andere eCommerce-Gewinner wiederum nutzten mit als Erste kostenlos die Reichweite großer Portale (Vertriebspartnerschaften): So ließen sich der Finanzdienstleister forium oder die Erotik-Chat-Community Visit-X in die Seiten von MSN oder RTL integrieren und übertrugen so ihre Vertriebsaufgaben. Da die Portale im Gegenzug eine Provision erhalten, entsteht ein für alle Seiten attraktives Wertschöpfungsnetzwerk.

Marktgerechter Technologieeinsatz:
Die erfolgreichen Unternehmen konnten ihre marktführende Stellung einnehmen, indem sie wesentliche Elemente der Technologie eigens entwickelt und ein dazu passendes Geschäftsmodell meist als Pionier auf den Markt gebracht haben. Zudem ist Technologie nie Antriebskraft, sondern steht immer im Dienst des Leistungskerns. Dies ist beispielsweise schon daran zu erkennen, dass die Unternehmen penibel darauf achten, den Nutzer mit einer minimalen Anzahl von Klicks zu seinem Ziel – nämlich Suche und Kaufabschluss – zu führen.

Aufbau schlanker Kostenstrukturen und permanentes Monitoring:
Die Illusion, ein Internet-Unternehmen bestünde neben Personalkosten quasi nur aus fixen Kosten für IT-Infrastruktur und Software, wurde schnell bestraft, nicht nur weil Kosten für die Bewältigung des Web-Traffics (inkl. Server-Nachrüstungen) und des Customer-Supports ebenfalls mit zunehmendem Geschäftsvolumen anstiegen. Wer nicht wie eBay im Bereich des Customer Care frühzeitig auf Automatisierung (z.B. durch ausgefeilte Frage- und Antwortkataloge) setzte, wartete vergeblich auf das Realisieren von Kostendegressionseffekten. Konnten bestimmte Aufgaben nicht automatisiert werden, so wurden Teile der Wertschöpfung auf den Kunden übertragen. Nach dem Prinzip, den Kunden für sich arbeiten zu lassen, überlassen die eCommerce-Gewinner die komplette Abwicklung des Kaufs (Lagerhaltung, Versand, Inkasso, After Sales) den Nutzern. Doch damit nicht genug: Bei Unternehmen wie eBay oder mobile.de stellen die Verkäufer ihre Produkte selbst ein, übernehmen Produktbeschreibung sowie -pflege, bewerben ihre Produkte sogar selbst und zahlen auch noch dafür. Die profitablen Unternehmen unterscheiden sich vor allem im Umgang mit ihrer Ausgabenseite wesentlich von weniger erfolgreichen Anbietern. Ein striktes Monitoring der Kosten wurde beispielsweise realisiert, in dem Kundenakquisitionskosten von den untersuchten Firmen nur dann in Kauf genommen werden, wenn sie den eigentlichen Kundenwert, für den intern Referenzwerte existieren, nicht überschreiten. Kundengewinnungsmaßnahmen, die nicht das einbringen, wofür gezahlt wurde, werden erfolgreich nachverhandelt bzw. kurzerhand gestoppt. Ergebnis dieser Maßnahmen ist eine hohe Produktivität, die mit zum Teil über 100.000 EUR Umsatz je Mitarbeiter der von traditionellen Dienstleistungsunternehmen (z.B. in der Marktforschung) entspricht.

Profitabilität im Kerngeschäft hat oberste Priorität:
Das in der Hype-Phase oft gepredigte schnelle Wachstum („Speed“) wurde bei den untersuchten Unternehmen nicht zum Dogma, dem unbedingt hinterher gelaufen werden musste. Vielmehr vollzog sich das Wachstum schrittweise und erfolgte zuallererst im Kerngeschäft oder war unmittelbar damit verbunden. So starteten eBay, GuensTiger.de, metaspinner zunächst mit der horizontalen und vertikalen Ausbreitung einzelner Angebotskategorien. Mit dem Kerngeschäft verbundene Dienstleistungen wie das Angebot von Kfz-Finanzierungen und -Versicherungen bei mobile.de ergänzen mittlerweile das Angebot. Für alle analysierten Firmen gilt: Erst nachdem sie im Kerngeschäft profitabel wurden, folgte die internationale Ausbreitung.

Wachstum ohne Risikokapital:
Bis auf wenige Ausnahmen – eBay und abebooks in Deutschland (nicht aber die nordamerikanischen Muttergesellschaften) – hat keines der untersuchten profitablen Unternehmen sein Wachstum in der Anfangsphase durch Risikokapital finanziert. Einige von ihnen (z.B. GuensTiger.de, metaspinner) haben eigenen Aussagen zufolge sogar bewusst darauf verzichtet, um sich nicht dem Wachstumsdruck der Kapitalgeber auszusetzen. Klassische Fehler, die während des Hypes in der New Economy begangen wurden, nämlich überteuerte Firmenakquisitionen und die zum Teil hektische Anpassung an jeden Trend (z.B. kostenintensive Imitation technischer Features von Wettbewerbern) wurden schon aufgrund begrenzter Ressourcen vermieden. Auch teure Engagements an der Börse, verursacht u.a. durch Listinggebühren, Investor Relations-Aktivitäten und Betreuung durch Banken, ging bis heute keines der Unternehmen in Deutschland ein. Stattdessen setzten sie ihre Ressourcen strikt kostenbewusst und erlösorientiert ein.

Fazit
Die Existenz der eCommerce-Gewinner belegt, was vielerorts bezweifelt wurde: Im endkundenorientierten eCommerce werden heute schon deutliche Gewinne erzielt. Für profitables Wachstum gibt es allerdings kein allgemein gültiges Patentrezept. Die Herausforderung besteht vielmehr darin – wie außerhalb der virtuellen Welt auch –, viele einzelne Mosaiksteine, die Einfluss auf die Profitabilität ausüben, miteinander zu kombinieren. Die Vorstellung ausgewählter Erfolgsfaktoren aus der Studie „Die eCommerce-Gewinner“ zeigt, dass es dabei nicht nur um Maßnahmen zur Erzielung betrieblicher Rentabilität geht, sondern auch um Aspekte strategischer Positionierung. Mit ihren Leistungen schufen die erfolgreichen Unternehmen einen klaren Kundennutzen, für den – und darin unterschieden sie sich von zahlreichen anderen Geschäftskonzepten – Zahlungsbereitschaften bestanden. Meist entwickelten sie ihre Märkte auf diesem Wege sogar selbst. Da beinahe alle der analysierten analysierten Dotcoms den Break-even ohne Risikokapitalfinanzierung erreichten, besteht trotz angespannter Kapitalmärkte und negativer konjunktureller Rahmenbedingungen die realistische Chance, dass sich in naher Zukunft weitere Unternehmen zu den eCommerce-Gewinnern zählen dürfen.

Für weitere Informationen:
Die ausführliche Studie „Die eCommerce-Gewinner – Wie Unternehmen im Web profitabel wurden“ ist im F.A.Z.-Institut erschienen und kann direkt über Amazon bezogen werden.

Über die Autoren:
Prof. Dr. Sönke Albers ist Inhaber des Lehrstuhls für Innovation, Neue Medien und Marketing an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Gregor Panten und Björn Schäfers sind Mitarbeiter am obigen Lehrstuhl.

Dieser Artikel erschien am und wurde am aktualisiert.
Nach oben scrollen