Wie wird die neue EU-Signaturrichtlinie in Deutschland umgesetzt?

Am 19.01.00 ist die EU-Richtlinie über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen in Kraft getreten. Eine Anpassung an die weitergehenden Regelungen der Richtlinie muss auf bundesdeutscher Ebene noch erfolgen.

Weitreichende Erwartungen werden mit der neuen EU-Signaturrichtlinie verknüpft, „Die hohen Sicherheitsstandards und die rechtliche Gleichstellung der digitalen Signatur mit der herkömmlichen Unterschrift wird dem Geschäftsverkehr via Internet weiteren Auftrieb geben. Wir werden deshalb die Richtlinie so schnell wie möglich in nationales Recht umsetzen“, so Bundesminister Müller am 21.01. 2000.

Die EU-Richtlinie (1999/93/EG )über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen ist am 19.01.2000 durch Verkündung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft getreten und soll der Sicherstellung der grenzüberschreitenden rechtlichen Anerkennung elektronischer Signaturen dienen. Der deutsche Gesetzgeber hat nun 18 Monate Zeit, diese Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Zwar ist bereits 1997 auf bundesdeutscher Ebene im Rahmen der sogenannten Multimediagesetze (IuKDG ) das Signaturgesetz (SigG) verabschiedet worden. Die rechtliche Qualität und Beweisfunktion elektronisch übermittelter Erklärungen regelt das deutsche SigG allerdings nicht, es ist im Grunde nur der administrative Rahmen für digitale Signaturen. Eine Anpassung an die weitergehenden Regelungen der Richtlinie muss daher auf bundesdeutscher Ebene noch erfolgen.

Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass fortgeschrittene elektronische Signaturen, die auf einem qualifizierten Zertifikat beruhen und von einer sicheren Signaturerstellungseinheit erstellt werden, die rechtlichen Anforderungen an eine handschriftliche Unterschrift erfüllen und in Gerichtsverfahren als Beweismittel zugelassen sind. Dies bedeutet nicht, dass es nicht schon nach geltendem Recht möglich ist, Verträge durch Mausklick im Internet zu schließen. Grenzen ergeben sich allerdings, wenn der Vertragsschluss an die Schriftform gebunden ist (bspw. eine Bürgschaftserklärung). Bisher fordert § 126 Abs. 1 BGB dann die eigenhändige Unterzeichnung durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen. Die digitale Siegelung mit einem privaten Signaturschlüssel, der durch ein Zertifikat einer Zertifizierungsstelle einer bestimmten Person fest zugeordnet ist, genügt dieser Anforderung – bisher – nicht. Folge: Derartige Verträge sind nach § 125 BGB nichtig. Eine Anpassung an die EU-Richtlinie muss erfolgen.

Ein weiteres Problem, eher praktischer Natur, ist der Nachweis eines elektronisch abgeschlossenen Rechtsgeschäftes vor Gericht. Zwar ist es schon jetzt möglich, elektronische Dokumente in den Zivilprozess einzuführen, so dass eine Anpassung aufgrund der Richtlinie nicht erforderlich erscheint. Die Einsichtnahme in elektronische Dokumente durch den Richter wird als Augenscheinseinnahme nach § 371 ZPO qualifiziert, deren Ergebnis der freien richterlichen Würdigung gem. § 286 ZPO unterliegt. Der Beweiswert richtet sich dann danach, inwieweit das Gericht von der Echtheit und Unverfälschtheit der Daten überzeugt werden kann. Der Beweiswert einer Privaturkunde (§ 416 ZPO) wird bis dato jedoch nicht erreicht.

Eine weitere Rechtsanpassung könnte aus Art 6 der Richtlinie folgen. Die Haftung der Zertifizierungsstellen erscheint durch das deutsche Zivilrecht nicht abschließend geklärt. Dies gilt insbesondere für Konstellationen, bei denen jemand, der auf die Angaben des Zertifikats vertraut, einen Vermögensschaden erleidet.

Wie aber wird nun das deutsche Privatrecht dem modernen Geschäftsverkehr angepasst werden? Erwartet wird die Schaffung eines § 126a BGB, wonach die elektronische Form unter bestimmten Voraussetzungen der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform gleichgesetzt werden kann. Ein früherer Gesetzentwurf sah einen neuen § 126a BGB mit (widerleglichen) Vermutungsregelungen vor. Dieser enthielt einmal die Vermutung der Zurechnung einer Willenserklärung zu dem Signaturschlüsselinhaber und zum anderen eine vermutete Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht. Sollten die Vermutungsregelungen wieder aufgenommen werden, so wird dies auch auf den Zivilprozess Auswirkungen haben: Es erfolgt eine Umkehr der Beweislast. Die ebenfalls diskutierte Schaffung eines § 416a ZPO zur Regelung des Beweiswertes eines elektronisch signierten und übermittelten Dokumentes könnte somit u.U. entfallen.

Man darf also gespannt sein, wie der bundesdeutsche Gesetzgeber den Umsetzungsspielraum ausfüllen wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Gesetzesänderungen zu den angekündigten Verbesserungen der Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr führen werden.

Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an:
Sozietät Graf Kanitz, Lieder Härtel, Büro München, 

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