Zulässigkeit von Power-Shopping – eine Zwischenbilanz

Innerhalb von zwei Tagen haben deutsche Gerichte das Geschäftsmodell des sog. „PowerShopping“ untersagt. Nach Ansicht der Richter verstößt dieses internetspezifische Handelsmodell gegen das deutsche Rabattgesetz sowie das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.

Innerhalb von zwei Tagen haben deutsche Gerichte – das Landgericht Köln am 12.10.2000 sowie das Landgericht Hamburg am 13.10.2000 – das Geschäftsmodell des sog. „PowerShopping“ (PrimusOnline)/“CoShopping“ (KontorHouse, LetsBuyIt) untersagt. Nach Ansicht der Richter verstößt dieses internetspezifische Handelsmodell, bei dem ein Produkt um so billiger zu erwerben ist, je mehr Käufer ein Online-Angebot abgeben, gegen das deutsche Rabattgesetz sowie das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Die betroffenen Unternehmen haben angekündigt, Rechtsmittel gegen die jeweiligen Entscheidungen einzulegen, so daß momentan lediglich eine Zwischenbilanz auf der Basis der aktuellen Rechtsprechung gezogen werden kann.

„PowerShopping“ bzw. „CoShopping“ – Begriffliches:
Das Verkaufsmodell PowerShopping erfreut sich im Internet zusehends steigender Beliebtheit. Eine Vielzahl onlinetätiger Unternehmen (neben PrimusOnline/RTL-PrimusPower und LetsBuyIt.com z. B. Atrada, DealTime, KontorHouse, QuantoShopping etc.) vertreiben Pro-dukte unter dieser Bezeichnung und nennen das Verkaufsmodell „CoShopping“ (abgeleitet von „CommunityShopping“), „PowerByuing“ oder „Xtreme-Shopping“. Stets verbirgt sich dahinter dieselbe einfache Idee: Je mehr Käufer sich finden, desto billiger kann das Produkt erworben werden oder anders ausgedrückt: Viele Interessenten für ein Produkt führen zu hohem „Rabatt“ (LetsBuyIt.com: „Je mehr mitmachen … desto kleiner wird der Preis“); nach Aussagen der Online-Händler sollen so Einsparungen bis zu 50 % für den Endabnehmer erreicht werden können. Ein Geschäftsmodell, das jedoch insbesondere bei Markenherstellern (Philips, Sony) so wenig geschätzt wurde, daß diese bereits im vergangen Jahr erstmals die Gerichte einschalteten.

Die aktuellen Entscheidungen

Zunächst untersagte das Landgericht Köln (Urteil vom 12.10.2000 – Az. 33 O 180/00: Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs ./. PrimusOnline GmbH bzw. RTL-PrimusPower GmbH -; nicht rechtskräftig) dem E-Commerce-Unternehmen PrimusOn-line GmbH und dessen Tochterunternehmen RTL-PrimusPower GmbH den Internet-Usern weiterhin Produkte im PowerShopping-Verfahren anzubieten. Das Gericht be-gründet seine Ansicht damit, daß dieses Handelsmodell, das durch Bündelung von Nachfragemacht (der Verbraucher) mittels virtueller EInkaufsgemeinschaften zur Erzielung besserer Preise führen kann, gegen § 1 UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) ebenso wie gegen das deutsche Rabattgesetz verstößt. Insbesondere soll ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß darin bestehen, daß beim PowerShopping-Verfahren ein „sittenwidriges Ausnutzen der Spiellust“ der Verbraucher vorliegt und deren Kaufentschluß „unsachgemäß beeinflußt“ würde; wettbewerbsrechtlich seien deshalb die Tatbestandsmerkmale der Fallgruppe „übertriebenes Anlocken von Kunden“ gegeben.

Daß das Landgericht so entschieden hat, kam – so auch ein Unternehmenssprecher – nicht überraschend. Diesmal hatte zwar die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wett-bewerbs mit Sitz in Frankfurt/Main gegen das Unternehmen geklagt, doch war bereits am 13.10.1999 eine einstweilige Verfügung auf Betreiben des Markenherstellers Philips erlassen worden, da man PrimusOnline einen Verstoß gegen das Rabattgesetz anlastete. Der 3. Zivilsenat des OLG Hamburg brauchte deshalb keine Entscheidung zu der Frage zu treffen, ob durch das Preisstufensystem der Antragsgegnerin neben dem rabattrechtlichen Verstoß auch § 1 UWG oder die Preisangabenverordnung verletzt sei, da es einen Unterlassungsanspruch bereits aus §§ 1 Abs. 1, 12 RabattG ableitete.

Auch die weitere aktuelle Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 13.10.2000 – Az. 416 O 209/00: Cnited AG ./. LetsBuyIt.com) gegen die in Schweden gegründete LetsBuyIt.com mit deutschem Sitz in München, die aufgrund einer Klage deren Konkurrentin Cnited AG erging, stützt sich in ihrer Begründung auf Verstöße gegen das deutsche Rabattgesetz und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.
Dem Fall LetsBuyIt.com war in der Vergangenheit ebenfalls eine einstweilige Verfügung vorausgegangen. Anders als im Fall „PrimusOnline“ hatte das Oberlandesgericht Hamburg diese jedoch in zweiter Instanz im September wieder aufgehoben. LetsBuyIt.com hatte das Oberlandesgericht nämlich davon überzeugen können, daß die Cnited AG, die die einstweilige Verfügung beim Landgericht Hamburg erwirkt hatte, den Anspruch rechtsmißbräulich geltend gemacht hatte. Vor diesem Hintergrung ist unschwer vorher-sehbar, daß das Unternehmen auch im jetzt anhängigen Hauptsacheverfahren den Gang durch die Instanzen antritt.

Kritische Würdigung der jüngsten Rechtsprechung
In wettbewerbsrechtlicher Hinsicht stellen die Gerichte auf die sog. aleatorischen Bestand-teile („sittenwidriges Ausnutzen der Spiellust“ etc.) des Power-Shopping-Systems ab. Dies geschieht vor dem Hintergrund, den Verbraucher davor zu schützen, einem „unsachgemäßen Anreiz“ ausgesetzt zu sein bzw. in seinem Kaufentschluß „unsachgemäß beeinflußt“ zu werden. Tatsächlich überzeugt dies nicht: Zum einen werden die potenziellen Käufer auf den entsprechenden WebSites der Online-Shopping-Anbieter durchaus umfassend und verständlich über das Konzept (Angebotsgestaltung, Preisstufen etc.) informiert (andernfalls wäre vorrangig ein Verstoß gegen § 3 UWG wegen irreführender Werbung zu prüfen); zum anderen können die Kunden mit dem Modell der Kaufkraftbündelung deutliche Preisersparnisse erzielen, d. h. eine Chance realisieren, die sich sonst nur Gewerblichen (z. B. Großhändlern) bietet. Außerdem sollte die Rechtsprechung ohnehin langsam dazu übergehen, dem Internet-Verbraucher mehr Entscheidungsautonomie zuzubilligen. Ersichtlich in diese Richtung geht bereits eine Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden (Urteil vom 12.01.2000 – Az.: 13 O 132/99 -; allerdings zum Thema „Internet-Auktionen“), ausweislich dessen die entscheidende Kammer „davon ausgeht, wer sich im Internet betätige, wisse auch wie Internet-Versteigerungen grundsätzlich ablaufen und erkenne folglich die damit verbundenen Gefahren.“ Dies entspricht wohl auch der jüngeren Entwicklung der BGH-Rechtsprechung (z. B. „Handy für 1 DM“, „Handy für 0,00 DM“) im Wettbewerbsrecht, wonach der Verbraucher zwischenzeitlich mehr und mehr als „mündiger Bürger“ gesehen wird, der nicht stets und ständig vor sich selbst geschützt werden muß.

Auch soweit die Gerichte einen Verstoß gegen das Rabattgesetz annehmen, kann dem aber aus nachfolgenden Gründen nicht gefolgt werden: Ein unzulässiger Preisnachlaß (gem. § 1 Abs. 1 RabattG) setzt nämlich naturgemäß eben gerade das Vorliegen eines solchen „Rabattes“ voraus. Die entsprechende Definition enthält § 1 Abs. 2 RabattG: Danach sind „Preisnachlässe im Sinne dieses Gesetzes“ entweder „Nachlässe von den Preisen, die der Unternehmer ankündigt oder allgemein fordert“ (1. Alt.) oder „Sonderpreise, die wegen der Zugehörigkeit zu bestimmten Verbraucherkreisen, Berufen, Vereinen oder Gesellschaften eingeräumt werden“ (2. Alt.). Da beim „Power-Shopping“ typischerweise aber von vornherein der Preis für eine bestimmte Anzahl von Käufern festgelegt wird, andererseits der Preis für das Produkt aber erst nach Ablauf der „Verkaufsveranstaltung“ feststeht, weil im Verlauf des Verfahrens noch niemand wissen kann, wie viele Käufer sich noch beteiligen werden, gibt es erst nach Ablauf dieses Preisbildungs- bzw. -ermittlungsverfahrens einen festen Preis, so daß in rabattrechtlicher Hinsicht ebenfalls nur dieser einzige Preis gegeben ist, nicht dagegen ein Nachlaß von einem ursprünglichen Preis. Insbesondere können nicht die im Rahmen des Stufensystems genannten Beträge, die sich im Falle einer geringeren Anzahl von Käufern als jeweiliger Preis hätten ergeben können, als „Normalpreis“ qualifiziert werden, da diese Zahlen lediglich eine Entscheidungshilfe bzw. eine Bewertungskriterium für den Verbraucher sind. Denn mit den vorgegebenen Preisstufen verhält es sich nicht anders als bei-spielsweise mit der sog. „unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers“, die ebenfalls lediglich eine Orientierungsgröße für den Käufer ist. Andernfalls dürften Händler auch diesen empfohlenen Verkaufspreis des Markenherstellers nicht unterschreiten. Daß dies aber rechtlich zulässig ist, begegnet nirgendwo Zweifeln. Es besteht folglich keinerlei Anlaß, die Rechtslage bzgl. des PowerShopping abweichend, d. h. als unzulässig, zu qualifizieren.

Ausblick
Wünschenswerterweise sollten die höherinstanzlichen Gerichte trotz der in der Bundesrepublik – jedenfalls derzeit – geltenden (Sonder-)Gesetze (Rabattgesetz, Zugabeverordnung, Preisangabenverordnung etc.) in der Lage sein, einer solchen neuen Verkaufsstrategie wie beispielsweise dem PowerShopping, auf das E-Commerce-Unternehmen zur Abgrenzung gegenüber dem traditionellen Handel angewiesen sind, „Bestandschutz“ zuzubilligen. Die aktuellen Bestrebungen, das (aus dem Jahre 1933 stammende) Rabattgesetz sowie die Zugabeverordnung abzuschaffen, um Wettbewerbsnachteile deutscher Online-Anbieter aufzuheben, müssen dabei ergänzend Berücksichtigung finden. Jedenfalls ist eine zeitnahe Klärung im Interesse der betroffenen Internet-Firmen dringend erforderlich, damit diese nicht ihre mehrfach verlautbarten Drohungen, Niederlassungen in andere europäische Länder zu verlegen, wahrmachen.

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